„Ich möchte gern beruflich etwas Organisatorisches machen, etwas, das mit Musik zu tun hat und vor allem sollte es eine Stelle sein, bei der man nicht nur nebenher läuft, sondern das Gefühl hat, wirklich zu arbeiten und etwas Sinnvolles zu tun.“ So beschreibt Lilly Stachelhaus ihre Motivation, sich während ihres Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) beim Bundesjugendorchester zu engagieren. „Außerdem kannte ich jemanden, der sein FSJ dort gemacht hat und der war begeistert.“
Womit die 19-jährige Mülheimer Abiturientin bereits vor ihrer Bewerbung gute Einblicke in die Arbeit des Organisatoren-Teams um das renommierte Jugendorchester hatte. Durchsetzen musste sie sich gegen eine Gruppe von Bewerbern, bevor sie am 1. September ihre Stelle antreten konnte. Ob sie die Wahl bereut hat? „Auf keinen Fall. Mit mir hat noch jemand sein FSJ beim Bundesjugendorchester begonnen und wir hatten von Anfang an das Gefühl, voll in das Team integriert zu sein und ernst genommen zu werden.“
Auch vom befürchteten „Mitlauf-Charakter“ sei nichts zu spüren. „Man traut uns viel zu und überträgt uns viele Aufgaben, begleitet uns dabei aber auch sehr gut und unterstützt uns.“ Direkt die erste Arbeitswoche führte Lilly Stachelhaus nach Berlin. „Da hatte das Bundesjugendorchester einen Auftritt.“ Nun ist sie in Mülheim an der Freien Waldorfschule, an der die 19-Jährige im vergangenen Jahr selbst das Abitur ablegte. „Das Orchester spiel regelmäßig School Sessions. Das ist den Mitgliedern wichtig: Kontakt zu Gleichaltrigen, Reaktionen des jungen Publikums spüren und ihnen klassische Musik näher bringen.“
Auf dem Programm dieses Morgens steht Strauss’ Tondichtung zu Nietzsches „Also sprach Zarathustra“. Doch wer war dieser Nietzsche eigentlich? Warum hat Strauss sein Werk vertont und welche Stimmungen lassen sich etwa aus den langen Fugen der Komposition heraushören? Ensemble-Mitglieder erklären es den Mülheimer Waldorfschülern, die fast vollzählig im frisch renovierten Festsaal zusammengekommen sind zum Gastspiel des Bundesjugendorchesters. Begeistert verfolgt den Auftritt auch Lilly Stachelhaus, die mit dem Organisatoren-Team derzeit quer durch Deutschland reist „Aber den Großteil der Arbeitszeit verbringe ich natürlich in unserem Bonner Büro.“
Angesiedelt beim Deutschen Musikrat in Bonn ist der Büroalltag klar umrissen. „Wir planen zum Beispiel schon jetzt Konzertreisen, die in zwei, drei Jahren stattfinden. Das für 100 Musiker zu organisieren, ist aufwändig.“ Ebenso das Kopieren der Noten für ein derart großes Orchester, denn auch das gehört zu den Aufgaben der FDJler ebenso wie die Koordination mit den Schulen der Ensemble-Mitglieder. Ob Lilly Stachelhaus, die selbst Oboe und Blockflöte spielt, Lust hat, mit den Jugendlichen auf der Bühne zu stehen? „Nein, auf keinen Fall. Jeder, der im Orchester ist, ist ein herausragendes Talent und hat Preise bei ,Jugend musiziert’ gewonnen. Es ist toll, dabei zu sein, aber das ist schon eine Klasse für sich.“
Mit den Berliner Philharmonikern als Patenorchester und namhaften Dirigenten, die die Probenphasen begleiten, kommen die 100 jungen Talente drei mal im Jahr für drei bis vier Wochen zusammen. „Was in der Schule versäumt wird, muss nachgeholt werden. Aber die meisten besuchen Schulen, die einen musischen Schwerpunkt haben und für die mehrwöchigen Ausfälle und zusätzlichen Konzertreisen Verständnis zeigen.“ Denn das Berufsziel der meisten Orchestermitglieder ist klar. „Von 100 sagen 96, dass sie Berufsmusiker werden möchten – und das ist in den vergangenen Jahren auch 86 Prozent der Mitglieder gelungen; sie sind bei sehr guten Orchestern untergekommen“, sagt Lilly Stachelhaus.
Ob sie, nach rund vier Monaten als FSJlerin beim Bundesjugendorchester, ihrer Berufswahl näher gekommen ist? „Das war nicht mein primäres Ziel“, sagt sie. „Nach der Klausurenphase fürs Abitur habe ich wie in einer Blase gelebt. Außer lernen gab es nicht viel. Aus dieser Situation heraus wollte ich nicht sofort entscheiden müssen, welchen beruflichen Weg ich einschlage. Also habe ich mir eine Richtung gesucht, die denkbar wäre. In vielem fühle ich mich bestätigt, denn Organisation und die Arbeit in einem Team liegen mir, aber es muss nicht unbedingt mit Musik zu tun haben. Insgesamt kann ich aber jetzt schon sagen, dass die Entscheidung fürs FSJ für mich genau richtig war, um mir in vielem sicherer zu werden und klarer zu sehen, wohin mein Weg führen soll.“